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Mutigen Schritts gehst du voran. Die letzte Etappe der Reise liegt vor dir und Ishan. Der Weg ins Land des Feuers. So viele Gefahren musstet ihr bereits bestehen. So viele Abenteuer. Doch das größte habt ihr noch vor euch: Den Drachen besiegen und die Prinzessin retten. Nichts und niemand wird euch von eurem Ziel abbringen. Und das Wichtigste ist: Du bist nicht alleine. Ishan ist an deiner Seite.

Ihr geht voran. Stunde für Stunde. Nur eine kleine Pause gönnt ihr euch, als die Nacht hereinbricht. Dicht nebeneinander liegt ihr unter einem Baum und Ishans Hand liegt wie von selbst über deiner Hüfte.  Bereits jetzt merkst du, dass ihr auf dem richtigen Weg seid. Die Bäume werden karger und kränklicher. Das magische Gefühl des Waldes schwindet. Die Felsen nehmen zu, der Untergrund wird härter. Auch die Luft verändert sich. Sie wird nicht wärmer, doch trockener. Eine trockene Kälte, die dir in der Kehle beißt. Doch dein Blick ist stur auf das Ziel fixiert. Prinzessin Charity, harre aus! Dein Held ist unterwegs.

Gegen Spätnachmittag des zweiten Tages habt ihr den Wald gänzlich hinter euch gelassen. Vor euch liegt eine endlose Ödnis.

„Das Land des Feuer“, sagt Ishan leise.

Der Horizont verschwimmt im rosafarbenen Abendlicht und scheint mit dem Himmel zu verschmelzen, dort, wo bereits die Nacht heraufkriecht. Es wird früh dunkel an diesem Ort. Und wie ein drohendes Mahnmal siehst du dort den Turm stehen, schwarz, wie aus Vulkangestein, ein Mahnmal in der ansonsten endlosen Landschaft der Leere. Dieser Ort ist euer Ziel. Er zieht all eure Gedanken und Wünsche an.

Die Erde unter euren Füßen ist trocken und kalt. Verbrannte Erde, aufgeplatzt und von Rissen durchbrochen. Der Wind trägt schwarzen Schnee, Ascheflocken, die darauf tanzen.

„Hier ist nichts mehr“, sagst du, mehr zu dir selbst als zu Ishan. „Das Land ist tot.“

Deine Hand klammert sich um den Schwertgriff. Hier wird eure Reise also ein Ende nehmen. Auf die eine oder andere Weise. Du schreitest dem Abend entgegen, im Licht des sterbenden Tages durchquerst du mit Ishan die letzte Ebene. So sei es also. Möge der Kampf beginnen.

 

Die Nacht senkt sich bereits über das Land herab, die Schatten kriechen aus den Rissen und Spalten im Boden, als ihr das Tor des Turmes erreicht. Ein schwarzer Bogen, scharf und glänzend wie aus ewigen Glas gefertigt öffnet sich vor euch. Wie das Maul eines Ungeheuers, das euch verschlingt. Du wirfst dir die Kapuze über die Haare und Ishan nickt und tut es dir gleich. Du ziehst dein Schwert und tauscht einen Blick der stummen Übereinkunft. Von jetzt an ist Bedacht gefordert. Leise müsst ihr sein, wollt ihr nicht durch Torheit das Monster aufscheuchen und verfrüht ein Ende finden. Geduckt schleicht ihr durch das Tor des Turmes, drückt euch an die innere Mauer und haltet euch im Dunklen. Ein leerer Innenhof liegt vor euch. Der Turm erwartet euch. Alle Mahnungen und Hinweise, die du auf deiner Reise erhalten hast, gehen dir durch den Sinn. Langsam und lautlos durchquerst du den Hof, Ishan direkt hinter dir. Vor dir liegt eine schwarze Treppe und dahinter der Eingang ins Innere des Turmes. Du lauschst. Nichts regt sich. Kein Vogel singt. Keine Schlange raschelt. Totenstille herrscht hier. Ein gutes oder ein schlechtes Zeichen?

 

Du huschst die Treppe nach oben. Mit der Schulter stemmt sich Ishan gegen die Tür. Sie ist schwer, hölzern und so hoch wie zwei Männer. Sie gibt unter seiner Kraft nach, doch das Knarzen hallt durch die stille Landschaft, wie das Ächzen der Erde selbst und es scheint vom Himmel widerzuhallen. Nichts als Dunkelheit liegt hinter der Tür. Nur Schatten kannst du ausmachen. Eine endlose Treppe, die in der Finsternis verschwindet. Nach unten und nach oben führen die Stufen.

„Wohin wenden wir uns?“, fragt Ishan. Du schnupperst. Lauschst. Strengst deine Augen an. Zu Linken ist es still und leer. Die Stufen führen ins endlose Obergeschoss. Du willst dich gerade nach oben wenden, als du zu deiner rechten ein Geräusch vernimmst. Was war das? Ein Ächzen? Oder nur der Wind?

„Ich habe es auch gehört“, sagt Ishan ernst. „Wir sollten das auskundschaften.“

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Auf geht es, hinab in den Keller. Drachen schlafen in der Tiefe, oder?

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