top of page

Bist du bereit für die Liebe?

Liebe liegt in der Luft! Oder ist es vielleicht doch die Stauballergie? In jedem Fall stehen auch die Aschenwälder im Zeichen der Romantik. Und ihr könnt an diesem wunderschönen Tag ein Date mit einem von fünf Singles (und einem Nicht-Single) aus den Wäldern gewinnen. Was kann da schon schief gehen?

Dein Date erwartet dich...

☀︎

Du wirfst einen unsicheren Blick auf die Uhr auf deinem Smartphone, dann ziehst du die schwarze Kapuzenjacke enger um dich und schaust die dunkle Waldstraße hinauf und hinab. An der kleinen Bushaltestelle ist es zugig und kalt. Noch einmal checkst du die Uhrzeit, die dir geschickt wurde. 9 PM.

Du warst von Anfang an etwas verwundert über die Zeit, wolltest dich aber darauf einlassen. Mittlerweile bist du dir nicht mehr sicher, ob dein Date überhaupt jemals vorhatte, zu erscheinen.

Es ist bereits viertel nach neun und gerade, als du dir überlegst, ob du nicht einfach nach Hause gehen sollst, erklingt das Dröhnen eines Motors. Sekunden später leuchten zwei helle Scheinwerfer auf der Straße auf. Kurz darauf kommt mit quietschenden Reifen ein knallgelber Transporter vor dir zum Stehen.

Einen Moment bist du irritiert, und noch ehe du die Hand ausstrecken kannst, springt die Beifahrertür auf.

„Los, rein, wir sind spät dran!“, begrüßt Nelly dich ohne Umschweife.

Du kletterst in den Transporter und hast die Tür noch nicht ganz zugezogen, als Nelly schon wieder Gas gibt.

 

„Das waren ja sehr kryptische Nachrichten von dir dazu, was wir heute vorhaben“, versuchst du, eine Unterhaltung zu beginnen. Nelly wirft dir einen kurzen, abschätzenden Blick zu.

„Je weniger du fragst, desto weniger Probleme erwarten dich“, erklärt sie.

„Probleme?“, fragst du verwundert, „Ich dachte, wir haben… eine Art Date?“

Jetzt grinst Nelly. „Klar, haben wir auch. Hast du an den Dresscode gedacht?“

Du schaust an dir herunter. Offensichtlich hast du das. Genau wie Nelly trägst du eine schwarze Hose und einen sehr große schwarze Kapuzenjacke, die du dir aus der Lost and Found Box im Kenzie’s geborgt hast. Du betrachtest Nelly von der Seite. Die dunklen Kleider wirken ungewohnt an ihr.

„Also“, versuchst du es erneut mit einer Konversation, „was genau haben wir denn Spannendes vor? LaserTag? Escape Room? Oder sprayen wir Mittelfinger über Trump-Plakate?“

„Das wäre eigentlich auch eine gute Idee gewesen“, überlegt Nelly.

Du blinzelst. „Das war eigentlich ein Witz…“

Nelly schnaubt. „Ich dachte, du bist cool? Du meintest doch, Abenteuer wär voll deins, oder nicht?“

Du zuckst die Schultern. Plötzlich kommt dir ein Gedanke.

„Wir… haben aber nichts … Illegales … vor, oder?“

Nelly antwortet dir nicht, aber ein unheilverkündendes Lächeln umspielt ihre Lippen. Langsam dämmert dir, worauf du dich eingelassen hast.

Nelly biegt auf einen holprigen Feldweg ab. Sie schaltet das Licht des Transporters ab. Im Dunkeln holpert ihr den Weg entlang und kommt schließlich vor einem hohen Maschendrahtzaun zum Stehen. Durch die Dunkelheit erkennst du ein großes Gebäude, das wie eine Farm oder ein Stall aussieht, der sich finster gegen den wolkenverhangenen Nachthimmel abhebt. Kein einziges Licht brennt. Gruselig.

„Das ist ja ein richtig romantischer Ort“, bemerkst du sarkastisch.

Nelly verzieht das Gesicht. „Romantik ist nur ein menschengemachtes Konstrukt, um ihre hormonellen Schwankungen zu rechtfertigen, das ist dir klar, oder?“

Unwillkürlich musst du lachen. „Ja, stimmt schon. Und Valentinstag ist nur dafür da, um einen Grund zu finden, dass die Leute noch mehr Geld für irgendeinen Mist ausgeben.“

Nelly macht eine Fingergun-Geste in deine Richtung und zwinkert.

„Wie Recht du hast, junger Padawan. Deswegen tun wir heute etwas, das dem ganzen Kommerz entgegen spricht und retten ein paar unschuldige Leben. Bist du dabei?“

Du zögerst einen Moment, aber in Nellys Augen brennt eine Entschlossenheit, der du nicht widerstehen kannst. Und – um ehrlich zu sein – hast du das Gefühl, sowieso keine Wahl zu haben.

„Sure“, antwortest du.

„HA! Ich wusste, ich kann auf dich zählen! Nachdem Harley zu feige ist, weil sie ja Büüürgermeisterin ist und Verantwortung hat und blablabla…“ Nelly verdreht genervt die Augen. Dann greift sie hinter den Sitz und zieht eine Skihaube, Handschuhe und etwas, das verdächtig nach einem Seitenschneider aussieht, hervor.

Sie zieht sich die Skihaube über ihre Dreadlocks und schließlich über das Gesicht. Dann schaut sie dich auffordernd an.

„Wo ist deine Skihaube?“, fragt sie. Sie hatte in ihrer letzten Nachricht etwas davon geschrieben, aber du hattest es für einen Scherz gehalten.

„Ich – dachte das war ein Witz“, gestehst du.

Nelly seufzt genervt. „Du musst noch so viel lernen, junger Padawan… ich beliebe nicht zu scherzen.“

Sie öffnet das Handschuhfach und kramt darin herum. Dabei fallen ein paar sehr alt aussehende Schokoriegel, Handschellen und eine angebrochene Dose Hundekekse heraus.

„Sam ist so ein Ekliger!“, stöhnt Nelly, während sie mit spitzen Fingern eine Packung Kondome zur Seite schmeißt. Schließlich wird sie aber fündig und reicht dir eine eingebröselte und sehr stark nach Hundekeksen riechende Sturmhaube herüber.

„Wenigstens dabei kann man sich auf Sam verlassen“, murrt sie mit angewidertem Blick. Mit zwei Fingern nimmst du Nelly die Maske ab und beäugst sie skeptisch.

„Die hat er aber nicht… zweckentfremdet, oder?“, fragst du zweifelnd.

Nelly gibt ein lautes Würgegeräusch von sich. „Zutrauen würde ich es ihm, dem Ekligen. Aber eine andere habe ich nicht, also zieh das widerliche Ding an, los jetzt! Hast du wenigstens an Handschuhe gedacht?“

Du reckst einen Daumen in die Luft, während du mit der anderen Hand die siffige, stinkende Maske über dein Gesicht ziehst. Handschuhe hattest du tatsächlich zufällig noch in der Tasche, es ist ja schließlich quasi noch Winter.

Nelly nickt zufrieden. Ihre Hände stecken bereits in schmalen, schwarzen Handschuhen. Sie wartet, bis du ausgerüstet bist, dann greift sie nach dem Seitenschneider und öffnet die Autotür. Du tust es ihr gleich. Kalte Luft und der markante Geruch von Ammoniak schlägt dir entgegen. Du glaubst, das leise Gackern von Hühnern zu vernehmen. Als du um das Auto herumgehst, findest du Nelly, die, mit dem Seitenschneider in der Hand, bereits den Zaun inspiziert.

„Kein Strom“, grinst sie. Dann sieht sie dich an.

„Hol’ die Käfige aus dem Transporter, ich kümmere mich um den Zaun“, zischt sie.

Du hast beschlossen, nicht mehr zu hinterfragen, was ihr vorhabt. Du öffnest den Laderaum des Transporters und findest einen Haufen unterschiedlichster Käfige und Transportboxen. Als du die ersten um die Ecke trägst, hat Nelly ein Loch in den Zaun geknipst und ist bereits halb hindurch geschlüpft.

„Hol die Käfige alle nach draußen, ich geb dir die Hühner raus. Oh und pfeif, wenn jemand kommt, verstanden?“

Und ohne eine Antwort abzuwarten rennt sie auf das dunkle Gebäude zu.

 

Zwanzig Minuten später verstaust du den vor-vorletzten Käfig im Transporter. Du kannst immer noch nicht glauben, was du gerade tust, als auf einmal ein blendend helles Licht aufflammt. Erschrocken springst du um die Ecke und siehst zu deinem Entsetzen, dass, die Farm hell erleuchtet ist. Nelly kommt auf dich zugestürtzt, soweit du es gegen das Licht erkennst mit mindestens 3 Hühnern im Arm.

„Los los LOS!“, schreit sie dir entgegen. Von irgendwo erklingt eine fremde und höchst erzürnte Männerstimme, die euch auffordert, auf der Stelle stehen zu bleiben.

Panisch und mit hämmerndem Herzen nimmst du Nelly die Hühner, die empört mit den Flügeln flattern, ab und stopfst sie in die beiden letzten Kisten.

Nelly packt die Boxen, dann schubst sie dich zur Fahrertür.

„GO GO GO WORAUF WARTEST DU?“

Du begreifst, springst auf den Fahrersitz und startest den Motor. Du hörst die Türen des Frachtraums zuschlagen und legst den Rückwärtsgang ein. In dem Moment, als der Transporter sich in Bewegung setzt, reißt Nelly die Beifahrertür auf und springt herein.

„GIB GAS!“, befiehlt sie und ohne Nachzudenken gehorchst du. Der Transporter rumpelt rückwärts los und mit einem Blick zurück zu Farm erkennst du zwei Männer mit Gewehren und zwei große Hunde, die über das Farmgelände auf euch zurennen.

„Hier kannst du wenden, lenk nach links!“, ruft Nelly. Du reißt das Lenkrad herum. Sekunden später brettert ihr die Straße hinunter, die ihr gekommen seid.

Nelly kurbelt ihr Fenster herunter und lehnt sich nach draußen. Dann zieht sie sich die Maske vom Kopf und grinst.

„Wir haben sie abgehängt. Diese Penner. Werden auch mit keinem Mal schlauer.“

Dein Herz hämmert immer noch, aber das Adrenalin in deinen Adern gibt dir ein Hochgefühl. Du reißt dir Sams stinkende Sturmmaske vom Kopf und Nelly hebt die Hand zu einem High Five.

Nelly lotst dich, bis ihr schließlich in die Auffahrt zu Sam abbiegt. Sein Haus liegt still und dunkel da.

„Ist Sam gar nicht zu Hause?“, fragst du überrascht.

Doch Nelly verzieht das Gesicht. „Es ist Valentinstag, der Eklige hat da immer irgendwelche Bums-Dates.“

Du steuerst den Transporter auf den großen Sandplatz hinter Sams Haus.

„Was passiert jetzt mit den gestohlenen Hühnern?“, fragst du, obwohl du die Antwort bereits ahnst.

„Ich habe keine Ahnung, wovon du redest“, erklärt Nelly, während sie die Käfige aus dem Transporter in Sams Hühnerauslauf schleppt.

„Sam hat echt viele Hühner, da verliert man schon mal den Überblick über die Gesamtzahl… reichst du mir die letzten Käfige?“

 

Ein paar Minuten später sitzt ihr in den Schaukelstühlen auf Sams Veranda. Nelly steckt sich einen Joint an.

„Für’s erste Mal war das gar nicht so schlecht“, erklärt sie dir. „Von mir aus können wir das gerne bei Gelegenheit wiederholen, was denkst du?“

Du hebst eine Augenbraue. „Von mir aus. Aber nicht vor dem nächsten Valentinstag.“

Nelly streckt sich. „Damit kann ich leben“, erklärt sie.

Du lehnst dich in deinem Schaukelstuhl zurück und schließt die Augen mit dem seltsam befriedigenden Gefühl, etwas Gutes getan zu haben und zeitgleich der Konsumgesellschaft getrotzt zu haben.

signal-2025-02-13-15-57-05-699.png
bottom of page