Es war zunächst eine traumlose Nacht, doch in den frühen Morgenstunden schlich sich der blaue Vogel in ihre Träume und Kathy erlebte die Geschehnisse noch einmal, bis sie schließlich aufwachte. Es war noch dunkel und sie hörte das leise Atmen ihrer Mitbewohner. Flüsternd ließ sie Onyx das Licht in ihrer Schlafnische etwas aufdimmen und startete ihr Tablet. Im Wiznet war doch sicher auch etwas über dieses Wesen zu finden.

Und sie sollte Rechtbehalten. Sie erfuhr, dass es sich um einen Donnervogel handelte und öffnete den Eintrag einer Online-Enzyklopädie.

Der Donnervogel ist ein blauer, adlerartiger Vogel mit einer Flügelspannweite von 20 Metern. Er lebt einzig auf Berggipfeln in Nordamerika und zählt zu den geschützten Arten. Mit dem Schlag seiner Flügel löst er Stürme aus und ballt Wolken zusammen. Außerdem ist er in der Lage Blitze zu erzeugen.

Donnervögel sind intelligent und sensibel. Sie reagieren empfindlich auf übernatürliche Gefahren und sind in der Lage Menschen zu verstehen. Man sagt ihnen nach ein Moralverständnis zu besitzen, welches ihnen ermöglicht nicht nur zwischen Gut und Böse zu differenzieren, sondern auch Beweggründe in die Abstufungen einzubeziehen.

Kathy blickte auf. Das würde ja bedeuten, dass sie sich richtig mit dem Donnervogel hätte unterhalten können. Ob er sie nicht gehört hatte? Oder wollte er nicht mit ihr reden? Oder lag es gar an diesem blöden Armband, dass am Ende so viel Magie auf sie wirkte, dass sie ihre Gabe doch nicht in diesem Maße einsetzen konnte? Andererseits hatte sie die anderen Tieren durchaus hören können, wenn auch gedämpft. Ob der Donnervogel in der Lage war seine Fähigkeit vor ihr zu verschließen?

Sie las den Text noch einmal und eine weitere Frage tauchte in ihrem Kopf auf. Wieso war der Donnervogel ihren Lehrern gegenüber so aggressiv gewesen, hatte sie aber gehen lassen? Konnte er ihre Magie erspüren und klassifizieren? Das kam Kathy doch etwas zu weit hergeholt vor. Womöglich konnte er die Intention von Menschen lesen oder deren Schwingungen, die sie aussandten. Ziemlich beeindruckend, wie Kathy fand. Nie hätte sie gedacht mal so einem Wesen gegenüberzustehen – oder in ihrem Fall zu sitzen.

Fasziniert klickte sich Kathy durch die Seiten, erfuhr mehr über die Donnervögel und die anderen Tiere, die sie auf der Insel beobachtet hatte. So verbrachte sie den ganzen Tag, steckte selbst beim Essen die Nase ins Tablet und inhalierte alles Wissen Seite für Seite. Wenn sie sich einmal für etwas begeisterte, konnte sie sich stundenlang alles was sie dazu fand einverleiben. Nicht einmal von Chris und Chad ließ sie sich zu einem Gespräch hinreißen, als diese fragten, was sie da die ganze Zeit täte. Sie winkte nur ab und meinte: „Ich lese was zu den Tieren der Insel.“, und dann war sie schon wieder in einen Text über Arktis-Ziesel vertieft. Chris und Chad konnten nur den Kopf schütteln und sich anderen Dingen widmen.

Kathy indes musste im Verlauf des Tages feststellen, dass so einige Seiten über das Schul-Wlan gesperrt oder nur begrenzt einsehbar waren. Zunächst konnte sie noch nicht erkennen wieso dies der Fall war, aber letztendlich wurde das Gefühl, dass der Donnervogel möglicherweise Gründe für die Abneigung gegen ihre Lehrer haben könnte immer deutlicher. Und so durchforstete sie Seite für Seite, Zeile für Zeile das WizNet, immer darauf bedacht nicht den kleinsten Hinweis zu verpassen. Jedoch hatte das Team der Schule gute Arbeit geleistet und so fiel Kathy in den frühen Morgenstunden, ohne eine Antwort gefunden zu haben, in einen tiefen Schlaf.