
Ganz offensichtlich ist das ein Trick. Einer, auf den du nicht hereinfallen wirst. Sir Liam hat dich gewarnt. Den Kuss wirst du ihr nicht geben. Eine Ausrede ist jetzt gefragt. Du lächelst.
Und Pharrell hinter in ihrem toten Winkel siehst sich um und nickt nicht sehr unauffällig mit dem Kopf. Du verstehst: Der Vorhang. Wenn du den Vorhang über sie werfen und sie fesseln kannst? Fragt sich dann nur noch, wie du den Drachen los wirst. Aber eins nach dem anderen. Du machst einen Schritt zur Seite und versuchst Pharrell ein Zeichen zu geben.
„Kommt ans Fenster, Prinzessin“, sagst du zu ihr. „Der Mond soll Zeuge unseres Kusses sein und euren Fluch brechen.“
Sie kommt. Zögerlich. Sie scheint dir nicht ganz zu trauen. Du schiebst dein Schwert scheinbar gedankenlos in die Scheide zurück. Jetzt macht sie einen weiteren Schritt auf dich zu. Oh, es wird wirklich schnell gehen müssen. In ihrem Rücken greift Sie Pharrell bereits nach dem Vorhang. Du kannst den Blick jetzt nicht von Prinzessin Charity abwenden, sonst merkt sie, dass etwas nicht stimmt. Den Fehler im Plan bemerkst du erst, als es zu spät ist. Etwas berührt deine Hand. Du blickst herab. Prinzessin Charity hat ihre Finger nach dir ausgestreckt. Und mit einem Mal ist sie erstarrt. Ihre Augen weiten sich. Und du erinnerst dich an Sir Liams Warnung. Wenn sie dich berührt… kann sie den wahrhaftig in dein Herz sehen?
Ihre Augen verengen sich zu Schlitzen. Und da ist er: Der Wahnsinn. Er flackert über ihre Iris wie Feuer über Öl.
„Betrüger!“, zischt sie sie und Speicher spritzt ihr aus dem Mund. „Elender Betrüger!“
Mit einem Ruck wirbelt sie herum. Sir Pharrell reagiert schnell, doch zu spät. Der Vorhang verfehlt sie. Und Prinzessin Charity duckt sich unter seinem Arm hindurch, greift mit einer Hand nach Pharrells Hüfte und dann blitzt das Metall eines kleinen Dolches im schwachen Licht der Feuerschalen, welches sich gegen die weiche Haut an Sir Pharrells Hals drückt.
Voll Wut schreit die Prinzessin auf, während Sir Pharrell sich wehrt, doch das Messer gibt ihm wenig Raum.
„Warte!“, warnst du Charity und Panik jagt durch deine Adern. „Ganz ruhig, Prinzessin. Nehmt das Messer herunter, das ist eine Sache zwischen mir und euch.“
Charitys grüne Augen spucken Gift. „Verräter!“, faucht sie. „Du bist nicht besser als die anderen, die hierherkamen. Genauso unwürdig wie sie. Eine falsche Bewegung und der Ritter stirbt!“
Deine Knöchel treten weiß hervor, weil deine Finger das Heft des Schwertes so fest umklammern. Ruhig jetzt. Du musst ruhig bleiben.
„Prinzessin“, sagst du, jedes Wort mit Bedacht formuliert. „In deinen Händen befindet sich nur ein einfacher Ritter. Er ist wertlos für dich.“
Fackellicht bricht sich in ihren Augen. „Er ist nicht wertlos für dich“, kontert sie. Durch die Berührung hat sie in dein Innerstes gesehen. Und jetzt kichert sie mit einem Mal.
„Ich stelle dich vor die Wahl, verräterischer Held, der mein Herz betrogen hat. Du willst diesen Ritter retten? Fein. So gib mir den Kuss und damit deinen freien Willen. Sir Pharrell soll frei sein und seiner Wege ziehen. Verweigere ihn mir und mein Drache soll diesen nutzlosen Kämpfer verschlingen.“
Ach, verdammt, der Drache! Ein Knurren ertönt. Rauch erfüllt die Kammer. Du schaffst es, dein Schwert zu zücken und hältst es hoch. Flammen züngeln über den Boden und setzen den Teppich in Brand. Ein Tappsen. Eine riesige Pfote, die sich ins Licht schiebt. Ein Grollen wie aus einer unterirdischen Höhle. Ein gigantischer Echsenschädel schiebt sich aus dem Rauch. Eine gespaltene Zunge flattert. Die Prinzessin kichert hysterisch wie ein tollwütiges Wiesel.
„Deine Wahl, Held. Sir Pharrell, oder deine Freiheit. Was soll es sein?“
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Du straffst dich. Deine Zuneigung und dein Respekt zu Pharrell sind stark. Doch am Ende bist du mehr als nur Pharrells Freund. Du bist nicht für dich hier. Du hast einen Auftrag zu erfüllen. Die Ritter verlassen sich auf dich. Der König. Es ist Zeit, selbstlos zu sein.
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Du blickst in Pharrells braune Augen. Die Prinzessin ist verloren. Der Auftrag gescheitert. Und lieber schmachtest du auf ewig in den Kerkern, als Pharrells Leben auf dem Gewissen zu haben. Deine Freiheit für Sir Pharrells Leben.