
Mutigen Schritts gehst du voran. Die letzte Etappe der Reise liegt vor dir. Der Weg ins Land des Feuers. So viele Gefahren musstest du bereits bestehen. So viele Abenteuer. Doch das größte hast du noch vor dir: Den Drachen besiegen und die Prinzessin retten. Deinen Begleiter magst du verloren haben. Doch nichts und niemand wird dich von deinem Ziel abbringen. Du gehst voran. Stunde für Stunde. Nur eine kleine Pause gönnst du dir, als die Nacht hereinbricht. Doch bereits jetzt merkst du, dass du auf dem richtigen Weg bist. Die Bäume werden karger und kränklicher. Das magische Gefühl des Waldes schwindet. Die Felsen nehmen zu, der Untergrund wird härter. Auch die Luft verändert sich. Sie wird nicht wärmer, doch trockener. Eine trockene Kälte, die dir in der Kehle beißt. Doch dein Blick ist stur auf dein Ziel fixiert. Prinzessin Charity, harre aus! Dein Held ist unterwegs.
Gegen Spätnachmittag des zweiten Tages hast du den Wald gänzlich hinter dir gelassen. Vor dir liegt eine endlose Ödnis. Der Horizont verschwimmt im rosafarbenen Abendlicht und scheint mit dem Himmel zu verschmelzen, dort, wo bereits die Nacht heraufkriecht. Es wird früh dunkel an diesem Ort. Und wie ein drohendes Mahnmal siehst du dort den Turm stehen, schwarz, wie aus Vulkangestein, ein Mahnmal in der ansonsten endlosen Landschaft der Leere. Dieser Ort ist dein Ziel. Er zieht all deine Gedanken und Wünsche an.
Die Erde unter deinen Füßen ist trocken und kalt. Verbrannte Erde, aufgeplatzt und von Rissen durchbrochen. Der Wind trägt schwarzen Schnee, Ascheflocken, die darauf tanzen.
Hier ist nichts mehr, denkst du. Das Land ist tot.
Deine Hand klammert sich um den Schwertgriff. Hier wird deine Reise also ein Ende nehmen. Auf die eine oder andere Weise. Du schreitest dem Abend entgegen, im Licht des sterbenden Tages durchquerst du die letzte Ebene. So sei es also. Möge der Kampf beginnen.
Die Nacht senkt sich bereits über das Land herab, die Schatten kriechen aus den Rissen und Spalten im Boden, als du das Tor des Turmes erreichst. Ein schwarzer Bogen, scharf und glänzend wie aus ewigen Glas gefertigt öffnet sich vor dir. Wie das Maul eines Ungeheuers, das dich verschlingt. Du wirfst dir die Kapuze über die Haare. Du ziehst dein Schwert. Von jetzt an ist Bedacht gefordert. Leise musst du sein, willst nicht durch Torheit das Monster aufscheuchen und verfrüht ein Ende finden. Geduckt schleichst du durch das Tor des Turmes, drückst dich an die innere Mauer und hältst dich im Dunklen. Ein leerer Innenhof liegt vor dir. Der Turm erwartet dich. Alle Mahnungen und Hinweise, die du auf deiner Reise erhalten hast, gehen dir durch den Sinn. Langsam und lautlos durchquerst du den Hof. Vor dir liegt eine schwarze Treppe und dahinter Eingang ins Innere des Turmes. Du lauschst. Nichts regt sich. Kein Vogel singt. Keine Schlange raschelt. Totenstille herrscht hier. Ein gutes oder ein schlechtes Zeichen?
Du huschst die Treppe nach oben. Mit der Schulter stemmst du dich gegen die Tür. Sie ist schwer, hölzern und so hoch wie zwei Männer. Sie gibt unter deiner Kraft nach, doch das Knarzen hallt durch die stille Landschaft, wie das Ächzen der Erde selbst und es scheint vom Himmel widerzuhallen. Nichts als Dunkelheit liegt hinter der Tür. Nur Schatten kannst du ausmachen. Eine endlose Treppe, die in der Finsternis verschwindet. Nach unten und nach oben führen die Stufen. Du schnupperst. Lauschst. Strengst deine Augen an. Zu deiner Rechten aus dem unteren Ende der Treppe, die tief unter die Erde zu führen scheint, glaubst du ein fernes Geräusch zu hören. Ein Ächzen vielleicht. Vielleicht auch nur einen Luftzug. Zu deiner linken, wo die Stufen steil nach oben führen, glaubst du so etwas wie einen schwachen, kaum merklichen Lichtschein zu sehen. Ein Flackern wie von einer Fackel? Wohin soll sich dein Weg nun wenden?
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Nach rechts, hinab in den Keller. Drachen schlafen in der Tiefe, oder?
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Wo Licht ist, ist Leben. Nach links also, hinauf in den Turm.
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